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Justizpalast – Erweiterung der Bucerius Law School

Ein Gleichdick – das ist Geometrie für Fortgeschrittene, eine Art Kreuzung zwischen Dreieck und Kreis, bei dem sich die Seiten des Dreiecks konvex vorwölben. Der Architekt Jan-Oliver Meding (MPP Plan + Projekt) hat das magische Gleichdick als Grundriss für ein Projekt ausgewählt, das an höchst empfindlicher Stelle in Stadtbild stehen sollte: das Auditorium der Bucerius Law School im Auftrag der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

Tatsächlich stellte das Vorhaben so etwas wie die Quadratur des Kreises dar, denn in einem historischen Ensemble entstehen, das in einem zerfaserten Gebiet zwischen Messe und Congress Centrum liegt und das dringend neuer Fixpunkte bedarf. Hier kreuzen sich Jungius- und Marseiller Straße, schneidet die Tunnelzufahrt zum CCH ins Gelände, hier begegnen die Wallanlagen großflächigem Beton, hier kontrastieren die Höhenflüge der siebziger Jahre zur Betulichkeit des gründerzeitlichen Eckhauses von 1907, in dem früher die Allgemeinen Botaniker residierten und jetzt die angehenden Juristen der privaten Hochschule studieren.

Doch wohin mit dem benötigten neuen Hörsaalgebäude? Anbauen – im Norden oder im Osten an die Flügel des Altbaus? Oder daneben? Aber wo? Meding entschied sich für einen Zentralbau genau in der Mittelachse des neubarocken Gebäudewinkels mit der markanten Kuppel und exakt gegenüber dem Haupteingang. Dieser Standort entspricht der Lage eines Tempietto mitten im fürstlichen Park als Gegenüber eines Palasts. Doch der Planer übersetzte das historisch-höfische Motiv in höchst aktuelle Formen und Materialien – in Glas und Beton als Kontrapunkt zu Putz und Ranken. Und die Gründerzeit spiegelt sich anmutig in der 1200 Quadratmeter großen Glasfassade. Dabei nehmen die stumpfen Spitzen des Gleichdicks, das nach einem deutschen Mathematiker auch Reuleaux-Dreieck genannt wird, Bezug auf die Hauptachsen der historischen Anlage und schaffen so eine geometrische Verknüpfung der Gebäudelinien. Medings Ziel war es, mit der Gruppierung von Neu und Alt die Struktur eines Campus zu schaffen, der eine stadträumliche Logik besitzt.

Das Auditorium mit einer Grundfläche von 560 Quadratmetern erhebt sich als Zylinder mit zweischaliger Wand, außen Glas, innen beton. Die notwendigen Nutzungen sind innerhalb der Außenhülle so intelligent gestapelt wie die Schichten einer Sahnetorte. Das Foyer liegt unter dem Saal, der bis zu 13 Metern aufragt. Und so wie die Saalhöhe ansteigt, senkt sich die Decke des Foyers darunter. Die unterschiedlichen Höhen lassen unterdessen beide Räume durchgehend weitläufiger erscheinen. Der Betonkern ist großzügig geöffnet, sodass sich weit reichende Durchblicke ins Grüne ergeben. Der Hörsaal bietet rund fünfhundert Besuchern Sitzplätze, das Foyer weiteren dreihundert. Beide Räume sind parallel bespielbar, ohne dass sich die Veranstaltungen stören. Bleibt anzuführen, dass die Räume mit modernster Kommunikations- und Datentechnik ausgestattet sind, die mit dem Hauptgebäude vernetzt ist.

Die Konstruktion nach dem Konzept “Haus im Haus” bietet gleich doppelten Nutzen. Zum einen erfolgt die Erschließung des Gebäudes zwischen Glashaut und Betonkern, zum anderen ist der gläserne Mantel Klimapuffer gegen Kälte und Hitze.

Der Neubau agiert mit kühler Schlichtheit gegen den historischen Prunk. Mit der Form, die glasklar und gleichzeitig verbindlich ist, wurde Meding Sieger des vorausgegangenen, von der ZEIT-Stiftung ausgelobten, beschränkten Wettbewerbs. Strittig war in der Planungsphase die Farbgebung. Sollte Sichtbeton gegen das schmeichelnde K. u. K.-Gelb des Altbaus kontrastieren oder eine edle Holzverkleidung des Betonkerns? Im Kompromiss ergab sich ein Anstrich in einem Ochsenblut-Ton. Die Farbe setzt sich im Gestühl des Hörsaals fort und schafft so die Verbindung zwischen Innen und Außen. Die zurückhaltende Farbwahl lässt den Anstrich allerdings eher als Kupfernuance erscheinen, die ihre Strahlkraft nur bei Beleuchtung voll entfaltet. Am Tage hätte das Ensemble durchaus mehr Mut zur Farbe vertragen. Beim nächsten Anstrich also bitte ruhig mehr “Ochsenblut” in den Eimer!

Für Meding hat der Ort der Handlung übrigens familiengeschichtliche Bedeutung. Nicht nur, dass er das Büro gemeinsam mit seiner Ehefrau Anja und seinem Vater Hans-Karsten Meding betreibt. Gleich nebenan war auch der Großvater Hans Meding tätig, der als Landschaftsarchitekt im Team mit Karl Plomin an der Anlage von Planten un Blomen mitwirkte, das jetzt die Studenten vom Hörsaal des Enkels aus im Blick haben.

Gisela Schütte Architektur in Hamburg - Jahrbuch 2004
Herausgegeben von der Hamburgischen Architektenkammer
Erschienen im Junius Verlag